Vor 80 Jahren – Überfall auf die Sowetunion

Wir griffen an… Unsere Kameraden fielen. Wir rückten in ein belorussisches Dorf ein… Ich erinnere mich daran wie heute… Am Waldrand lagen ermordete junge Partisanen, sie wurden so grauenvoll ermordet, mit so unmenschlichen Methoden, daß ich keine Worte dafür finde. Ich kann es nicht beschreiben. Sie wurden mit Stroh in Brand gesetzt… mit Messern gevierteilt… mit Mistgabeln niedergestochen… Neben ihnen aber weideten Pferde. Ich dachte: Wie konnten Menschen vor Pferden derartiges fertigbringen? Vor Tieren. Sie haben doch alles gesehen. Und ringsum ist es so schön. Da liegen diese Jungs, so jung.“

Als wir Gefangene machten, brachten wir sie in die Abteilung. Sie wurden nicht erschossen, das wäre ein zu leichter Tod gewesen, sie wurden abgestochen wie Schweine, mit Ladestöcken und in Stücke gehauen. Ich bin hingegangen, mir das ansehen. Mich daran zu ergötzen! Hab gewartet, lange auf den Moment gewartet, wenn ihnen die Augen vor Schmerz bersten. Die Pupillen. Sie grauen sich, das anzuhören? Es ist grauenhaft? Wenn man vor ihren Augen aber mitten im Dorf ein großes Feuer entzündet und ihre Mutter da hinein geworfen hätte? Ihre Schwester? Die geliebte Lehrerin? Was wissen Sie denn davon?!“

Nach dem Krieg konnte ich zwanzig Jahre lang nicht in Fleischgeschäfte gehen, vor allem im Sommer. Ich konnte den Anblick geschnittenen Fleischs nicht ertragen, besonders von Hühnern. Weißen Fleischs. Es erinnerte mich an Menschenfleisch. Einmal machten wir Urlaub am Meer, fünf Jahre waren seit Kriegsende vergangen. Die Möwen kreischten, ich aber dachte, es schreien Verwundete…“

Wie uns die Heimat empfangen hat? Daran kann ich nicht denken, ohne zu weinen. Man hat uns ins Gesicht geschrien: ‚Was habt ihr da getan? Habt mit unseren Männern gelebt.‘ Ich hatte einen Freund, hab ihn aus dem Feuer herausgeschleppt. Gerettet. Wir lebten ein Jahr zusammen, dann ging er zu einer anderen Frau: ‚Sie riecht nach Parfüm, du aber nach Fußlappen und Stiefeln.‘ …“

(Zitate von Rotarmistinnen, in: Mascha, Nina, Katjuscha. Frauen in der Roten Armee 1941 – 1945, Ausstellungskatalog, 2002)

Am 22. Juni 1941 überfiel die Wehrmacht die Sowjetunion, um in einem Vernichtungskrieg den „jüdischen Bolschewismus“ auszumerzen und die als Untermenschen betrachteten Slawen zu vertreiben, zu versklaven und zu ermorden, damit Lebensraum für die „arische Herrenrasse“ gewonnen werden konnte. Am Ende kostete der von Deutschland entfachte Zweite Weltkrieg geschätzt mindestens 55 Millionen Menschen das Leben, allein in der Sowjetunion gab es mehr als 26 Millionen Tote – zwei Drittel davon Zivilisten. Besonders schlimm wurden die sowjetischen Kriegsgefangenen behandelt. Mehr als die Hälfte von den 5,7 Millionen Gefangenen starben in deutscher Gefangenschaft durch direkte Gewalteinwirkung oder durch Hunger, Krankheit und Kälte. Das war gewollt. Von den westalliierten Gefangenen starben 3,5 Prozent. Die Verachtung gegenüber den Sowjetsoldaten zeigte sich auch darin, dass „in Auschwitz die ersten Vergasungen mit Zyklon B an 600 sowjetischen Kriegsgefangenen durchgeführt (wurden)“ (https://kontakte-kontakty.de/sowjetische-kriegsgefangene/).

Mehr als achthundertausend sowjetische Frauen, häufig noch sehr jung, waren im Dienst der Roten Armee, ein Teil davon auch an der Front. Sie waren Schützinnen, Pilotinnen, Aufklärerinnen, Ärztinnen, Sanitäterinnen, Funkerinnen, Wäscherinnen, Köchinnen usw. Auf deutscher Seite dominierte das Angst- und Feindbild vom „Flintenweib“, das besonders grausam und widernatürlich sei und das wie der „jüdische Kommissar“ zur Legitimierung des eigenen Vorgehens in der Sowjetunion diente. Gegen die Frauen an der Waffe, also auch gegen die Partisaninnen, sollte erbarmungslos vorgegangen werden, Gefangene sollten erst gar nicht gemacht werden. Den Rotarmistinnen wurde ihr militärischer Status nicht anerkannt. In Gefangenschaft wurden sie exekutiert, kamen in ein Konzentrationslager oder sollten als Zwangsarbeiterinnen eingesetzt werden (Mascha, Nina, Katjuscha. Frauen in der Roten Armee 1941 – 1945, Ausstellungskatalog, 2002)

Was hat die Bundesrepublik Deutschland aus der Geschichte, aus dem Leid, das den Menschen durch den deutschen Staat angetan wurde, gelernt? Dazu kurz ein paar Schlaglichter:

Aus Angst vor den Russen wollte Bundeskanzler Adenauer eine Wiederbewaffnung von deutschen Soldaten als Teil einer Europa-Armee und so debattierte der Bundestag 1950 einen ganzen Tag lang, obwohl eine große Mehrheit der bundesrepublikanischen Bevölkerung dagegen war. 1952 stimmte der Bundestag zu, doch zu einer Europa-Armee kam es nicht. 1955 wurde die BRD in die Nato aufgenommen und durfte nun eine eigene Armee haben. Aus Personalmangel wurde auf Wehrmachtsoffiziere zurückgegriffen. „Um 1960 standen mehr als 12.000 Offiziere aus der Wehrmacht und 300 SS-Offiziere im Dienst der Bundeswehr.“ (https://www.dw.com/de/umstrittener-start-f%C3%BCr-die-bundeswehr/a-18830698 )

Bereits 1956 wollte Bundeskanzler Adenauer, dass die BRD Atommacht wird. Den geheimen Gesprächen mit Frankreich und Italien über die gemeinsame Entwicklung und Produktion von Atomwaffen folgte schließlich am 8. April 1958 ein Rüstungsabkommen, was dann aber von De Gaulle, als er an die Macht kam, abgelehnt wurde. Es blieb Adenauer aber die von ihm gleichzeitig ausgehandelte „atomare Teilhabe“ der Bundeswehr an den zu stationierenden US-Atomsprengköpfen (https://www.spiegel.de/geschichte/deutsche-aufruestung-a-947286.html).

Am 16. Oktober 1998 billigte der Bundestag den Kriegseinsatz gegen Jugoslawien mit 500 von 580 Stimmen und damit den ersten Angriffskrieg Deutschlands nach Nazi-Deutschland. Die deutschen Leitmedien legitimierten den Einsatz und schwächten den Protest mit Falschmeldungen. Wie so viele Kriege beginnt auch dieser mit einer Lüge (siehe WDR-Doku: https://www.youtube.com/watch?v=ZtkQYRlXMNU ). Der Krieg wird im Namen der Menschenrechte geführt und weil eine humanitäre Katastrophe zu verhindern sei. Noch unmittelbar vor dem Angriff hatte der französische Präsident Chirac große Vorbehalte, er verlor aber den Machtkampf gegen die BRD und die USA (https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7895/). Die chirurgisch präzisen Luftschläge erwiesen sich als Illusion und die Nato erfand den Begriff Kollateralschaden. Vom 24.03. bis 10.06.1999 wurden durch das Kriegsbündnis Nato ohne UN-Mandat Schulen, Krankenhäuser, Fernsehsender, Straßen, Brücken, Wasserwerke, Chemiewerke attackiert und Urangeschosse eingesetzt, 2500 Menschen wurden getötet. Außenminister Fischer legitimierte den Krieg am 13. Mai 1999 auf dem Grünen Sonderparteitag mit: „Ich stehe auf zwei Grundsätzen, nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz, nie wieder Völkermord, nie wieder Faschismus.“ Mit 444 zu 318 Stimmen erhielt er die Zustimmung der Grünen für die Bombardierung und somit war auch die rot-grüne Koalition gesichert (https://www.spiegel.de/politik/deutschland/gruene-das-schwere-ringen-um-den-kosovo-kompromiss-a-22166.html). Nicht zu vergessen ist dabei, dass im Zweiten Weltkrieg die Wehrmacht in Serbien Massaker an der Zivilbevölkerung verübt hat.

Bundeswehreinsätze im Ausland sind seitdem Normalität geworden, in Europa, Asien, Afrika und im Mittelmeer (siehe: https://www.bundeswehr.de/de/einsaetze-bundeswehr). Die Bundeswehr beteiligt sich auch im Rahmen des aggressiven Kriegsbündnisses Nato am jährlichen US-Großmanöver Defender Europe. Insgesamt 21 Nato-Mitglieder und 5 weitere Länder wirkten dieses Jahr mit. Erprobt wurde die Verlegung von Truppen und Material, wobei der Schwerpunkt auf Südosteuropa bzw. der Schwarzmeerregion lag. Im letzten Jahr, mit Defender Europe 2020, lag die Schwerpunktregion im Baltikum bzw. der Ostseeregion, die Schwerpunkte sollen sich jährlich abwechseln. Deutschland fungiert als Drehscheibe. Das Manöver dient dazu, sich auf einen möglichen Krieg gegen Russland vorzubereiten. Immer stärker wird in der Politik und in den Leitmedien gehetzt und ein Feindbild aufgebaut, ein Beispiel ist das heute journal vom 16.06.21 (https://www.zdf.de/nachrichten/heute-journal/maas-froh-dass-treffen-stattgefunden-hat-100.html). Die BRD will nicht nur eine wirtschaftliche Großmacht sein, sondern auch militärisch, was sie mehr Verantwortung übernehmen nennt. Doch es geht um Wirtschaftsinteressen, um Macht und Profit, um die Sicherung von Ressourcen, Handelswegen und Märkte. „Unsere Sicherheit wird nicht nur, aber auch am Hindukusch verteidigt“, sagte 2004 der Verteidigungsminister Struck. Sie will endlich wieder eine ganz normale Großmacht sein.

Warum sollte ein Mensch auf Befehl einen Fremden töten? Zu Ruhm und Ehren des Vaterlandes? Weil der Fremde das Böse ist? Weil sonst die Obrigkeit einen straft?

Militarismus, Nationalismus, Patriotismus sind ein Übel, das gut für den Staat, aber schlecht für die Menschheit ist. Eine Identifikation mit dem „eigenen“ Staat dient den herrschenden Interessen und seinen Verbrechen, denn der Staat entstand, damit die Mächtigen und die Helferlein die Massen steuern, kontrollieren, indoktrinieren, sanktionieren, manipulieren und bevormunden können. Die Herrschenden hetzen die von ihnen Beherrschten und Ausgebeuteten aufeinander, in der Schlacht und auch zu Hause. Solange die Menschen das mitmachen, bleiben sie unfrei.

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