Untervögelt oder unterbelichtet? *

Wann immer es Frauen wagen, gegen patriarchale Auswüchse aufzubegehren – insbesondere, wenn es um Sexualität geht –, bellen die getroffenen Hunde zurück mit „Ihr seid ja nur zu prüde/frigide“, „Ihr braucht mal ’nen Schwanz zwischen die Beine“, „Ihr müsst mal richtig durchgefickt werden“ oder eben in der neuen, etwas keckeren Variante „Ihr seid untervögelt“. So wie neulich auf der facebook-Seite des Fußballvereins SV Oberwürzbach. Der Verein wollte sich von einem Pornofilm-Produzenten sponsoren und hierzu den Namen der Hauptdarstellerin auf seine Trikots drucken lassen und handelte sich damit heftige Kritik ein. Dass es in dieser Reihe einen Film gibt mit dem Titel „Inzest – Papa dein Schwanz ist zu groß“, setzte dem ganzen die Krone auf.

Von Unrechtsbewusstsein keine Spur, stattdessen die Infragestellung oder vielmehr das Absprechen eines intakten Sexuallebens der Kritikerinnen.

Ihr getroffenen Hunde wollt den Status „untervögelt“ also einreihen in ‚unterernährt‘, ‚unterwässert‘, ‚unterkühlt‘, ‚übermüdet‘ oder ‚unterversorgt‘ mit Luft und Liebe – alles potentiell lebensbedrohliche Zustände. An Sexmangel ist aber, soweit mir bekannt, noch niemand gestorben. Doch es ist schon klar, was Ihr uns mit „untervögelt“ sagen wollt: dass wir Menschen sind, die wegen Sexmangels schlecht gelaunt sind, sich über Kleinigkeiten aufregen, chronisch unzufrieden und nörgelig, vielleicht sogar hysterisch sind – Frustrierte eben. Mal davon abgesehen, dass mir tagtäglich sehr viele solcher Leute begegnen und die Menschheit demzufolge schon so gut wie ausgestorben sein müsste, kann ich dazu nur sagen: Besonders beglückend ist das Leben für Frauen im Patriarchat auch nicht. Die Frage lautet insofern: Bin ich wenigstens selbstbestimmt „untervögelt“ oder fremdbestimmt „be-vögelt“? Habe ich lieber keinen Sex oder schlechten?

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Sex gegen Geld?

Eine radikalfeministische Kritik der Prostitution

Es war einmal vor nicht allzu langer Zeit, da schimpften sie Feministinnen prüde und frigide, wenn sie dem Sex, den sie nicht erfüllend fanden, entsagten. Das waren vor allem Männer. Heute kommt dieser Vorwurf auch von Frauen, die sich absurderweise Feministinnen nennen und ihre Sex-Positivität hervorheben – dann müssen die anderen ja sex-negativ sein. Alter Wein in neuen Schläuchen. In der Regel geht es um das Thema Prostitution, wenn diese Begriffe fallen. Prosti… äh Sexarbeit heißt es heutzutage politisch korrekt ohne moralischen Fingerzeig, sei eine „sex-positive“ Sache. Dann sollten wir vielleicht das Wort Sex definieren: Heißt das, zwei Menschen haben Bock auf einander und beide kommen auf ihre Kosten – im Sinne sexueller Befriedigung, nicht im monetären Sinne? Oder bedeutet Sex, dass Sexualität zur käuflichen Ware wird, die mehrheitlich Männer kaufen und Frauen verkaufen, bei der es um die sexuellen Wünsche des Zahlenden geht, während die Bezahlte ein Theater sexueller Lust vorspielt? Was an letzterem „positiv“ sein soll – außer vielleicht der Test auf mittlerweile antibiotikaresistente Gonokokken oder das HI-Virus –, erschließt sich uns nicht.

Prostitution als sexistischer Grundpfeiler des Patriarchats

Bei keiner anderen gewerblichen Tätigkeit gehören Geschlechtskrankheiten und Schwangerschaften bzw. Abtreibungen zum Berufsrisiko. Es gibt auch keine andere berufliche Tätigkeit – von Medikamententestern abgesehen –, die im Körper stattfindet, die ein derart einseitiges Geschlechterverhältnis zwischen Kundschaft und Anbietenden aufweist oder die Menschenhändlern Multimilliardengewinne beschert. Gibt es irgendwelche anderen Berufstätigen, deren Biographien derart gesäumt sind von Gewalterfahrungen und für die Drogenmissbrauch eine Grundvoraussetzung zur Berufsausübung darstellt? – Soldaten nach Kriegseinsätzen vielleicht. Und was sagt es uns, wenn in Militärstützpunkten als erstes eine Sex-Infrastruktur für die Soldaten eingerichtet wird? – Der (Ver-)Kauf der Sexualität, des intimen Kerns eines Menschen, ist das Gegenteil von „positivem“ Sex: Es ist die Benutzung eines fremden Körpers zur eigenen Befriedigung, eine bezahlte Vergewaltigung – der Gipfel des Kapitalismus, das Fundament des Patriarchats. Prostitution macht Frauen zu Huren und Heiligen, Männer zu triebgesteuerten Vergewaltigern ohne Kontrolle über sich – sie entmenschlicht. Egal, welchen Namen man ihr gibt.

Liberalfeminismus als Gehilfe der Sex-Industrie

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