Lieb,
brav, nett, geduldig, verständnisvoll, nachgiebig, sittsam,
bescheiden, still und leise – so hätte die Welt uns Frauen gerne.
Doch manche durchschauen diese Lebenslüge, die uns von klein auf
eingetrichtert wird, irgendwann. Eine von ihnen ist meine georgische
Klavierlehrerin, die mir voller Stolz und Selbstsicherheit, das
moralische Recht auf ihrer Seite wissend, erzählte, wie sie ihren
Asi-Nachbarn vermöbelt hatte.
Vermutlich
begann es ganz klassisch mit gekränkter Eitelkeit. Hatte der Vater
des besagten Nachbarn einst nach Klavierunterricht für seinen
Sohnemann gefragt, hörte meine Klavierlehrerin auf ihr Bauchgefühl
und lehnte mit Verweis auf mangelnde Kapazitäten ab. Irgendwann da
fing es an: kein Grüßen mehr im Flur, Klopfen gegen die Wand,
Tritte gegen die Tür, Beleidigungen. Laute Rap-“Musik“, die von
der üblen Sorte, mit der er das ganz Haus volldröhnte. Und immer
dann auf Anschlag, wenn sie Klavier spielte. Einmal erwischte sie ihn
auf frischer Tat, als er gerade Wasser an ihre Tür geschüttet
hatte. „Was willst du Schlampe?!“ stammelte er den Eimer noch in
der Hand haltend. So forderte der Querulant über einige Monate sein
Schicksal heraus. Naiv in der Annahme, die Kleine von nebenan würde
sich ohnehin nicht wehren – so wie er es von seiner Freundin
gewohnt war. Falsch gedacht.
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